Schiffsvermessung – von der Tonne zum Container

Die Tonne “Rostocker Band” zur Hansezeit
Von der Tonne zum Container

Ein Streifzug durch 1000 Jahre Schiffsvermessung

Die Tonne war im Frühmittelalter der Land- und See-Container schlechthin. Für Schüttgut wie Salz und Korn war die Tonne nicht nur Verpackung, sondern auch Witterungsschutz, Säcke waren beim Seetransport untauglich. In Haithabu hat man vier Wikingische Tonnen gefunden. Die „grosse“ war ca. 2,40 Meter hoch und ca. 90 cm im Durchmesser, mit einem Fassungsvermögen von ca. 1200 Litern, die kleineren „grossen“ Tonnen hatten 700 und 600 Liter Fassungsvermögen. Die „kleine“ Tonne mit ca. 60 Litern diente vermutlich als Trinkwasserbehälter. ( Bild 1 Haithabu-Tonne) Von einem rekonstruierten Pferdewagen nimmt man nach dem bisherigen Stand der Untersuchungen eine Tragfähigkeit von ca. 500 kg an. Fragen über Verwendungszweck, Transport und Handhabung der Tonnen sind bislang noch ungeklärt. Vergleiche und Beziehungen zu hansischen Maßen sind nicht erkennbar. Dass die Kaufleute dies Teil im Verlaufe des internationalen Handels normieren mussten war unausweichlich.

Erste Ansätze für ein Maß, wie viele „Tonnen“ ein Schiff zu tragen vermochte, sind in der Hanseschiffahrt zu finden. Das war wichtig für die Ermittlung von Zoll und Hafengebühren in fremden Herrschaftsgebieten. Darum ging der Machtkampf der Hanse um die Monopolstellung in Nordeuropa. Ein wesentliches Element ist dabei die Größe der Fahrzeuge. Wie groß Schiffe waren, geht in vielen Fällen aus den Rechenschaftsberichten und Kanzleibriefen hervor. Die Fahrzeugdimensionen sind unmittelbar verständlich, wenn Länge, Breite und Tiefgang (Raumtiefe) angegeben werden. Diese wurden jedoch sehr unterschiedlich ermittelt, je nachdem wo gemessen wurde.  (Bild 2 Spantquerschnitte)

Die in den Quellen überlieferten Zahlen für die Tragfähigkeit der Schiffe ist dagegen sehr viel schwieriger zu handhaben. Der Grund liegt in der wechselnden Praxis der Schiffsvermessung in den verschiedenen Zeitepochen. In Nord- und Ostsee bürgerte sich die „Last“ ein, im Westen die „Tonne“ Im Südlichen Fahrtgebiet von Flandern bis zur Biskaya gab es die „Weintonne“, in der Ostsee die Danziger „Roggentonne“ in der Nordischen Fahrt die Bergener „Heringstonne“, im Salzhandel die Lüneburger „Salztonne“. Sie waren so unterschiedlich wie die damals gebräuchlichen Längen und Gewichtsmaße. In Hamburg war eine Last „soviel, wie vier gute Pferde ziehen konnten“. Auf 4 Roggentonnen rechnete man 5 Heringstonnen  (Bild 3 Eine Übersicht über die verwirrende Vielfalt der Maße und Gewichte zur Hansezeit)

Nach dem Niedergang der Hanse, als Deutschland, das heilige römische Reich deutscher Nation nach dem  dreißigjährigen Krieg in Agonie lag und die nordischen Reiche Dänemark, Norwegen, Schweden die Ostsee und den Sundzoll dominierten – gab es in Nordeuropa die ersten grundlegenden Bestimmungen zur Schiffsvermessung in einer Kopenhagener Verordnung von 1632. Sie hat die Form einer Tabelle der Schiffsdimensionen und der sich daraus ergebende Tragfähigkeit in læst – Lasten.  (Bild 4 Verordnung von 1632)

In Norwegen rechnete man natürlich mit der Holzlast  zu 4000 pfund, in Dänemark mit der Kornlast zu 5200 pfund, was ca. 2600 kg also 2,6 to Roggen oder Weizen entspricht. Das war auch annähernd das Gewicht der Lübecker Kornlast. Im Vergleich zur Last war die engl. ton nur halb so groß.

Die Last mit der Commerzlast

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1666 vereinbarten Dänemark-Norwegen und Holland detaillierte Bestimmungen zu Schiffvermessung und Zollabgaben. Holland kaufte in Norwegen große Mengen Bauholz. Diese Bestimmungen gingen ein in die Zollverordnung von 1672, die festlegte, dass alle dänischen Schiffe, die Kopenhagen anliefen vom Commerciekollegium vermessen werden sollten  und einen Messbrief  erhielten.

Commerzlasten, die für lange Zeit gültige Maßeinheit

Die Schiffsvermessung erfolgte nun in Commerzlasten CL früher Kmcl. Sie bezog sich zunächst auf das wohldefinierte holländische Schiffspfund (Amsterdam) und wurde vom Kongelige Commerciecollegiet Copenhagen als 1 Commerzlast zu 5200 Schiffspfund festgelegt das entspricht etwa 2,6 to Gewichtslast. Später wandelte man die Gewichtslast in eine Raumlast um mit einer recht komplizierten Formel für die Vermessung des Schiffes über die Raumtiefe und die Breite über Deck. 1660 entstand unter Verhandlungen zwischen den Holländern und den norwegischen Holzhändlern eine Holzlast-Last von 4000 pfd. für 1 Commerzlast.

1 KL = L x Bm x Tm 24 5/6

Eingebürgert hat sich in der Literatur die Kommerzlast KL als ein Raummaß von einer definierten Größe von 150 dän. Kubikfuß – ein Modell dafür befindet sich im Museum von Apenrade – und das entspricht ungefähr der Ladefähigkeit eines Pferdefuhrwerkes. Früher, 1632 war die Schiffslast (1 læst ) mit  22 Tonnen Roggen bewertet worden, 1663  mit etwa 24 Doppelzentner Roggen ~ 2,6 to. Nach heutigen Gesichtspunkten sind die Angaben in Kommerzlasten mit Vorsicht zu genießen. Gemessen wurde die Länge über Deck, die Innenbreite und die Raumtiefe an drei vorgeschriebenen Stellen. Die Werte wurden miteinander multipliziert und durch eine Konstante geteilt.

Bei dieser Methode waren füllige, flachbodige und im Deck eingezogene Schiffe gegenüber  schlanken, scharf gebauten Fahrzeugen bevorzugt. Nur aus diesem Grunde hat sich die holländische Bauweise (Bild 5 Fleute)

in der Ostseefahrt bis ca. 1825 gehalten. Die bisherigen Fernfahrten glichen eher einer Expedition von Jahresdauer, nach der das Schiff im Winter aufgelegt und neu ausgerüstet wurde. Die Reise musste daher einen maximalen Ertrag einbringen. Es kam mehr auf Fassungsvermögen als auf Geschwindigkeit an. Diese Praxis wandelte sich nun zur Trampfahrt, bei der Ladung in Teilabschnitten aufgenommen und transportiert wurde. Durch den amerikanischen Einfluß in der Schiffskonstruktion  wurden schlanke und schnelle Schiffen die bevorzugten Transportmittel. Das Standardschiff nach 1800 wurde das schnelle Fregattschiff. (Bild 6 Fregattschiff)

Die Last mit der Commerzlast.

Durch internationale Verträge hatte man sich verpflichtet ausländische und eigene Schiffe nach der gleichen Methode zu vermessen. . Es gab jedoch eine geheime Dienstanweisung, nach der dänische, in Kopenhagen vermessene Schiffe mit einem Faktor 5/6 reduziert wurden. Flensburger Reeder ließen daher gerne ihre Schiffe in Kopenhagen vermessen. Fuhren sie nur in der Ostseefahrt, so wurden sie zunächst von den heimischen Zöllnern vermessen, die sich gerne mit den Reedern gut stellen wollten und ein wenig großzügig waren. Schiffe wurden erst dann „amtlich“ vermessen, wenn sie den Sund passierten.  –  Für den Historiker ergibt sich das Problem, mit welchem Wert er rechnen soll: mit dem ursprünglichen Werft-Wert, mit dem „zollamtlich“ ermittelten, mit dem kommissionsamtlich reduzierten oder mit den errechneten wirklichen KL-Zahlen, die ca. 20 % über den angegebenen liegen müssten.

So unglaublich es auch klingen mag, man verfuhr mit der heimlichen Reduzierung unangefochten bis 1825. Zwar gab es schließlich auf diplomatischer Ebene genügend bissige Bemerkungen, ernsthaft protestiert wurde aber erst spät, und zwar bei den Schlichtungsverhandlungen im deutsch-dänischen Krieg. Die Kommerzlast als Schiffsmaß praktizierte man bis 1867.

Bruttoregistertonne und Bruttoraumzahl

Nach 1867, also nach der Niederlage gegen Preußen und dem verstärkten Handel mit England wurden die Schiffe in Dänemark nach Registertonnen vermessen. Dabei wurde 1 KL mit 2 Registertonnen gleichgesetzt. England als führende Seemacht setzte 1 Registertonne mit 100 engl. Kubikfuß fest das entspricht 2,8316 Kubikmetern. Die anderen Seefahrt treibenden Nationen übernahmen das Maß. Man einigte sich international auf die Bruttoregistertonne als Maß für den Gesamtinhalt des seefest abgeschlossenen Innenraumes und die Nettoregistertonne als Maß des für Ladung bzw. Passagiere kommerziell nutzbaren Innenraums.

In der heutigen Frachtfahrt überwiegt der Gütertransport mit ISO-Containern die z.T. in 5 Etagen über Deck gestapelt werden. Über Deck wird fast genauso viel Ladung wie unter Deck gestaut. Hier ist die Bruttoregistertonne unbrauchbar. Dieses Maß ist heute abgelöst durch die Brutto-Raumzahl BRZ bzw. Netto-Raumzahl. Sie ist im Gegensatz zur BRT kein Raummaß sondern eine dimensionslose Zahl als Grundlage für die Berechnung der Ladekapazität für die Hafen-, Lotsen- und Kanalgebühren. Sie wird ermittelt aus dem Gesamtvolumen in mmultipliziert mit einem Faktor K je nach Schiffsgröße 0,22-0,32  Dabei wird die Container-Ladefähigkeit berücksichtigt. Wie die Container nach Gewicht und Ladeplan unter Berücksichtigung von Stabilität und Schiffssicherheit gestaut werden, das ist die heikle Aufgabe des Ladeoffiziers und wird mit Hilfe des Computers gelöst.

Aber die Story von unterschiedlichen Maßen ist immer noch nicht zu Ende. In den amerikanischen 20 Fuß ISO Standard-Container passen nicht zwei EURO Paletten nebeneinander. Aber die Chinesen bauen Wegwerf-Paletten für jedes gewünschte Maß und dann passt es wieder. (Bild 7 Übersicht Tonne-Container)

Inzwischen werden die Container-Riesen-Frachter und die Container -Feeder -die Nachfolger der schönen alten Kümo’s nicht mehr in BRZ sondern in TEU vermessen, also wieviele 20 Foot Standard-Container sie laden können. Diese werden heute in 12 – 13 Lagen übereinander gestapelt, die obersten drei Lagen so, dass sie im Notfall für die Stabilität des Schiffes über Bord gehen können. Der größte Container-Riese ist derzeit (2009) die EMMA MÆRSK mit einer Ladekapazität von 11.000 Standard-Containern. (Googeln Sie mal)

Tragfähigkeit

Für den Kaufmann der Hanse wie für den modernen Reeder war stets entscheidend, wie viel Ladung sein Schiff tragen konnte. War es eine leichte aber sperrige Ladung musste sie teilweise an Deck gestapelt werden – mit der damit verbundenen Behinderung bei der Bedienung des Schiffes. – Oder war sie schwer, dann konnte die Grenze der Tragfähigkeit bei nicht ausgenutztem Laderaum erreicht sein. Bei leichtem Wetter kein Problem, bei schwerem Wetter eine tödliche Gefahr, wenn das Schiff zu tief lag, schlecht zu manövrieren war und überkommende Brecher die Luken zerschlagen konnten. Es gab noch keine verbindliche Regeln, nur Erfahrungswerte.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts gingen auffällig viele Schiffe in der Kohlefahrt von den engl. Kohlerevieren um Newcastle her verloren. Die Seeleute klagten, viele Reeder würden ihre Schiffe – vornehmlich ältere, schon abgeschriebene Schiffe – über eine sichere Tragfähigkeit hinaus bewusst überladen. Entweder kamen sie an und hatten dem Reeder gutes Geld gebracht, oder sie gingen verloren, dann strich der Reeder die Versicherungsprämie ein. Das Leben der Seeleute war ihm gleichgültig. Profit ging im aufblühenden Kapitalismus vor Menschenleben.

Die Plimsoll Marke

Samuel Plimsoll war sozial engagierter Abgeordneter im englischen Parlament und nahm sich der Sache an. Er führte einen erbitterten und zunächst fast aussichtslosen Kampf gegen die Macht der Reeder. 1872 publizierte er sein Werk “Our Seamen”,  in dem er die Praktiken und Machenschaften der Reeder aufdeckte und anprangerte. Das Buch regte und rüttelte die Nation auf. Nach harten, bis hin zu tätlichen Auseinandersetzungen im Parlament erreichte er 1875 eine gesetzliche Regelung, nach der alle Schiffe eine so genannte Tieflademarke tragen mussten, bis zu der sie maximal beladen werden durften. Diese Lademarke ist als „Plimsoll-Marke“ von anderen seefahrenden Nationen übernommen worden. (Bild 8 Samuel PlimsollQuelle: Plimsoll Society)

Bei deutschen Schiffen ist diese Marke mit den Anfangsbuchstaben der Schiffsklassifikationsgesellschaft Germanischer Lloyd versehen, also GL. Bei englischen mit LR für „Lloyd’s Register“.

Die Lademarken für Segelschiffe waren einfach. Hier unterschied man nur die Süßwasser- und die Salzwassermarke. Für Dampfer und Motorschiffe sieht die Sache sehr kompliziert aus, hier sind für verschiedene Ladungen, Jahreszeiten und Seegebiete jeweils Marken festgelegt.

In Deutschland gab es auch nach Gründung des Deutschen Reiches noch keine gesetzliche Regelung. Allein im Zeitraum von 1895 bis 1899 gingen 12% der deutschen Dampferflotte und 29% der Segelschiffsflotte verloren. Nicht nur die Seeleuteorganisationen, sondern auch die Seemannsämter mussten feststellen, dass die Hauptursachen dieser „Schiffsverluste“ die geringe Bemannung, die mangelhafte Seetüchtigkeit und die Überladung der Schiffe, neben der mangelhaften Verstauung der Ladung waren. Erst 1908 wurde die so genannte Freibordmarke gesetzlich eingeführt. Das war weniger ein Verdienst der Reeder, noch – wie Hofdienstschreiber es der Öffentlichkeit weismachen wollten – des letzten deutschen Kaisers, sondern ein Verdienst der Gewerkschaftsbewegung. Daran sollte denken, wer heute ein Seeschiff aufmerksam betrachtet: etwa in der Mitte des Schiffes befindet sich an den Außenbordwänden eine kreisförmige Marke, die die zulässige Tiefladelinie (* Bild 9 Tiefladelinien s.u.) in den verschiedenen Gewässern und Meeren markiert.

FT= Frischwasser Tropen

F= Frischwasser Sommer

T= Tropen

S= Sommer

W= Winter

WNA = Winter Nordatlantik

HFT= Holz Frischwasser(Tropen)

HF= Holz Frischwasser(Sommer)

HT= Holz Tropen

HS= Holz Sommer

HW= Holz Winter

HWNA = Holz Winter Nordatlantik

Maßsysteme

1799 wurde in Paris das Meter als Grundeinheit des metrischen Maß-und Gewichtsystems eingeführt. Vor dieser Zeit hatte jedes Land, ja oft jede Stadt ihr eigenes Maß- und Gewichtsystem, und es dauerte das ganze 19. Jahrhundert, bis sich das Meter nach und nach in Europa durchsetzte – ganz abgeschlossen ist diese Entwicklung noch heute nicht, denn die angelsächsischen Länder rechnen nach wie vor in Meile und Fuß.

Hier nun eine Aufstellung der wichtigsten alten Maßeinheiten, denen wir bei historischen Schiffen und in der maritimen Quellenliteratur immer wieder begegnen:

siehe auch Fundgrube “Zoll ist nicht gleich Zoll”

Europäische Längenmaße im 19. Jahrhundert

(Quelle: Marquard, Schoner in Nord und Süd, VEB Hinstorff Rostock,1989)

 

 

Amsterdamer Fuß11 Duimen283,1 mmAntwerpener Fuß11 Duimen286,8 mmDänischer Fuß12 Zoll313,9 mmEnglischer Fuß12 inches304,8mmFranzösischer Fuß12 Zoll324,8 mmHamburger Fuß12 Zoll286,5 mmLübecker Fuß12 Zoll287,6 mmHannoverscher Fuß12 Zoll291,6 mmPreußischer Fuß12 Zoll313,8 mmRheinischer Fuß12 Zoll313,9 mmRussischer Fuß12 Zoll308,0 mmSchwedischer Fuß12 Zoll296,0 mmVenezianischer Fuß12 Zoll348,0 mm

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Maßeinheiten in den Herzogtümern Schleswig-Holstein im 19. Jahrh.

1 Fuß = 31,39 cm
1 Ale = 2 dän.Fuß = 62,78 cm
1 Faden = 3 Alen = 1,88 m

Lademaße

1 Kommerzlast CL war ein Raummaß und entsprach ungefähr der Ladefähigkeit
eines Pferdefuhrwerks, ca. 2,6 to