Die alte Truckerin

Eine graue alte Dame ist sie nicht, die „Unterelbe“ die seit einigen Wochen im Flensburger Hafen liegt. Sie ist eher eine in Ehren ergraute Truckerin, die noch immer ihre Fracht liefern könnte, wenn sie dürft. Sie sollte auch eigentlich im Sommerhalbjahr wieder Baustoffe auf die Nordfriesischen Inseln bringen. Frachtaufträge hätte es gegeben. Aber damit ist die Berufsgenossenschaft nicht einverstanden, denn die “Unterelbe” genügt den heutigen Vorstellungen von Sicherheit auf See nicht mehr ganz. Das wäre zu regeln gewesen, aber es kostet mehr, als es darf – und damit ist Plan A von Jens Boysen, dem Eigner und Kapitän geplatzt. Aber was wäre ein Kapitän ohne Plan B.

Plan B sieht so aus: Manschaftslogis und Eignerwohnung als Ferienwohnungen vermieten und den Frachtraum für Veranstaltungen zur Verfügung stellen – und im Hafen bleiben. Dieser Plan hat gute Chancen, zu funktionieren. Der Frachtraum ist mit gut 180 m² für viele Zwecke geeignet, das Manschaftslogis vor dem Frachtraum ist klein und knuffig. Klassisch minimalistische Schiffsatmosphäre mit Bad und Küche für zwei Erwachse und zwei Kinder ausreichend.

Der Eignerteil im hinteren Bereich hingegen ist das völlige Gegenteil: Luxuriös im Stil einer alten Yacht, holzvertäfelt, eben falls mit Küche, Bad, Zentralstaubsauger, Waschmaschine und tatsächlich einer Sauna ausgestattet, denn der letzte Eigner war ein finnischer Kapitän und ein Finne ohne Sauna ist wie ein Bayer ohne Bier oder Flensburg ohne Hafen.

Ebenfalls geplant ist die Zusammenarbeit mit dem Schiffahrtsmuseum, unter anderem im Rahmen einer Ausstellung über die Küstenschifffahrt und als erweiterter Ausstellungsraum.

Wem der graue Rumpf zu viel Hafenblick verdeckt: Wenn die Balasttanks gefüllt sind, wird das Schiff ein ganzes Stück tiefer liegen.   

Die “Unterelbe” hat schon eine paar Jahre auf dem Buckel, 1939 in Hamburg gebaut hatte die Truckerlady eine ganze Reihe von Vorbesitzern und an Fracht gefahren, was immer in den Laderaum passte. Heute ist sie das letzte noch erhaltene fahrfähige, vor dem zweiten Weltkrieg gebaute Küstenmotorschiff Deutschlands.

Zweiundzwanzig Jahre war Kehdingen Heimathafen, des damals noch “Danzig” genannten Kümos (Küstenmotorschiff), in den nächsten Jahren wechselte es noch mehrfach den Eigner, wurde in “Unterelbe” umgetauft,fand andere Heimathäfen in Wischhafen und Drochtersen, bis es 1980 nach Finnland verkauft wurde und nun “Ramona” hieß. Hier begegneten sich auch der spätere Besitzer – Jan Rautawaara – und “Ramona” zum ersten mal. Das war 1988 und Rautawara fuhr als Decksmann mit. Elf Jahre später – aus dem Decksmann war inzwischen ein die Weltmeere querender Kreuzfahrt-Kapitän geworden – kaufte er die “Ramona” in durchaus traurigem und liebesbedürftigem Zustand. Fortan flossen viel Geld und Zeit in Renovierung und Ausbau, der auch ausgezeichnet und teils luxuriös gelang. 2010 fuhr er zu einem Kümo-Treffen nach Wischhafen und ließ fortan das Schiff, wo es dann auch bis vor kurzem blieb.

Jens Boysen, der jetzige Eigner, wirkt immer etwas sturmzerzaust, was vielleicht an seinem Leben als Kümo-Reeder und Kapitän liegen mag. Mit der “Unterelbe” hat er sich einen ordentliches Stück Schiff aufgeladen, eigentlich mehr, als er alleine bewältigen kann, sowohl zeitlich wie finanziell. Deshalb ist er heilfroh, wenn er in Flensburg Mitstreiter findet, die Lust haben, ihm beim Erhalt des Schiffes zu helfen. Wer mit ihm Kontakt aufnehmen möchte , schreibt am besten eine E-Mail an jens.boysen@yahoo.de

Ach ja, Plan C gibt es auch noch: Das Schiff nach Holland verkaufen. Aber so ein altes Kümo sieht schon gut aus im Flensburger Hafen. Muss ja nicht sein, der Plan C…

Der 300 PS Deutz-Diesel

Technische Daten der Unterelbe

Bj. 1939 Schiffswerft Wilh. Holst, Hamburg-Neuenfelde Länge 46,70 m / Breite 6,74 m / Tiefgang beladen 2,65 m Ladekapazität 430 t / 538 cbm / Decksladung bis 400 cbm

Ein Laderaum durchgehend, mit neuen Holzlukendeckeln Maße Laderaum: 180 qm / L 28,10 / B 6,65 / H 2,61 Maße Ladeluke: 88 qm / L 21,80 / B 4,23 Geschwindigkeit 8,5 Knoten

Maschine 300 PS / 215 kW / 6 Zyl. Deutz RA528 Hilfsdiesel Ford 30 kW / Lister 10 kW / Notgener. 5kW

2 Radarsysteme / Autopilot / GPS-Kompass / AIS / GPS GMDSS A1 / SART / EPIRB / ENC-Seekarte / NAVTEX Maschine generalüberholt 2008 bei Wärtsilä, Finnland Letzte Werftinspektion 2013 Hamburg, alle Zertifikate+

Blick über das Oberdeck mit den Luken zum Frachtraum

 

 

Auch wenn die “Unterelbe gut in Schuss ist: Malerarbeiten gibt es immer